SEO-News

Dirk Lewandowski

Eine Initiative rund um den Suchmaschinen-Experten Prof. Dr. Dirk Lewandowski von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg setzt sich für die Schaffung eines freien Web-Index ein, der staatlich finanziert werden soll. Die Initiative erhofft sich davon Impulse für neue Suchmaschinenprojekte und Alternativen zu Google.

Die Idee Lewandowskis klingt nachvollziehbar. Der Hauptgrund, warum Google auf dem Feld der Suchmaschinenanbieter weit vor der Konkurrenz rangiert, sind vor allem die hohen Anfangsinvestitionen, die zur Schaffung und ständigen Aktualisierung eines umfassenden Web-Index getätigt werden müssten. Man muss dazu nur einen Blick auf die riesigen und weltweit verteilten Rechenzentren werfen, die Google betreibt. Diese Investitionserfordernisse wirken abschreckend und verhindern das Entstehen von Konkurrenzprodukten. Wenn es nun eine Möglichkeit gäbe, diese Einstiegshürde zu entfernen, wäre der Weg frei für eine neue Welle von innovativen Suchmaschinen und zusätzliche Innovationen auf dem Gebiet der Suche.

Der Kern der Idee besteht darin, dass ein umfassender und frei verfügbarer Web-Index geschaffen werden soll, auf den jeder zugreifen kann, der eine eigene Suchmaschine aufbauen möchte. Der Zugriff ist zwar nicht kostenlos, die für den Aufbau des Index notwendigen Investitionen sollen jedoch öffentlich bereitgestellt werden und von der EU kommen.

Bevor ein solches Vorhaben auf den Weg gebracht werden kann, müssen jedoch viele fachliche, technische, organisatorische und auch politische Entscheidungen getroffen und Probleme gelöst werden. Dirk Lewandowski hat sich bereit erklärt, einige Fragen zum Projekt gegenüber SEO Südwest zu beantworten.

SEO Südwest: Herr Prof. Dr. Lewandowski, die Idee eines gemeinsam nutzbaren Indexes erinnert an Projekte wie Wikipedia. Ist das ein zulässiger Vergleich?

D. Lewandowski: Nur bedingt. Der Vergleich stimmt insofern, als dass die grundlegende Idee ist, Wissen zu teilen und möglichst allen zur Verfügung zu stellen. In der Indexierung des Web, bei der es auf Vollständigkeit (soweit diese überhaupt zu erreichen ist) und Aktualität ankommt, würde ich bei community-basierten Ansätzen aber große Probleme sehen. Ich denke, dass die Erstellung und Pflege eines solchen Index tatsächlich nur durch eine eigene Institution zu bewerkstelligen wäre. Aufgrund der Komplexität und der Datenmassen ist diese Aufgabe nicht mehr von Freiwilligen zu bewältigen. Das soll gar nicht grundsätzlich gegen das Engagement von Freiwillen sprechen, ich denke aber, dass dieses Projekt eine Nummer zu groß dafür ist.

SEO Südwest: Gehört es zu den staatlichen Aufgaben, einen Suchmaschinenindex vorzuhalten?

D. Lewandowski: In Hinblick darauf, dass es bei der Suche im Web um die Vermittlung von Wissen geht, ja. Man könnte ja genauso gut fragen, ob es zu den staatlichen Aufgaben gehören sollte, Straßen zu bauen oder Bibliotheken zu unterhalten. In beiden Fällen würde man wohl zu Recht eine staatliche Finanzierung vorziehen. Wir würden wohl kaum akzeptieren, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen bestimmt, welche Medien in unseren Bibliotheken angeschafft werden und wie sie dort zugänglich gemacht werden.

SEO Südwest: Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Politik ein, sich finanziell am Vorgehen zu beteiligen?

D. Lewandowski: Ich glaube, dass die Bereitschaft durchaus da ist. Man muss allerdings deutlich machen, dass es nicht um eine Konkurrenzsuchmaschine zu Google geht, sondern darum, eine Wissensbasis zu schaffen und zu pflegen, die jederzeit von jedem – also u.a. Privatpersonen, Institutionen, kommerziellen Unternehmen – ermöglicht, eigene Dienste aufzubauen; dies natürlich im Bereich Suche, aber natürlich auch weit darüber hinaus.

SEO Südwest: Es soll also nur der Index bereitgestellt werden, die Abfragelogik kommt aber von den Suchmaschinenanbietern?

D. Lewandowski: Grundsätzlich ja. Natürlich müssen gewissen Vorverarbeitungen bereits auf der Index-Ebene stattfinden, damit das ganze möglichst leicht auch für kleine Unternehmen oder Initiativen nutzbar wird. Das sollten aus meiner Sicht allerdings Module sein, die man verwenden kann, aber nicht muss.

SEO Südwest: Ohne zentrales Know-How geht es bei einem solch komplexen Thema wie dem Aufbau eines Suchindexes nicht. Woher soll dieses Know-How herkommen?

D. Lewandowski: Natürlich wird man sich bemühen müssen, die besten Köpfe für dieses Projekt zu gewinnen. Ich sehe aber kein generelles Know-How-Problem. Kompetente Leute sind schon da – man muss sie für das Projekt begeistern und die Kompetenzen bündeln.
Grundsätzlich muss man natürlich dafür sorgen, dass die hier gefragten Inhalte auch an den Hochschulen gelehrt werden. Da besteht ein enormer Nachholbedarf: Aus meiner Sicht fehlt es vor allem an einer nicht rein technischen Sicht auf das Thema Suche – da wird viel Potential für gute Ideen und Innovation verschenkt.

SEO Südwest: Wie wird man teilnehmen können: als Provider, als Suchender, als Webseiteninhaber?

D. Lewandowski: Der Index soll ja geschaffen werden, damit jeder, der mag, darauf Anwendungen entwickeln kann. Der Zugriff auf den Index könnte bis zu einer bestimmten Menge von Anfragen kostenlos sein; danach könnte ein Abrechnungsmodell greifen. Dies würde auch dafür sorgen, dass ein verlässlicher Dienst entstehen würde und Unternehmen auch bereit wären, zu investieren und ihre Anwendungen darauf aufzubauen. Die Hoffnung ist also, dass möglichst viele Suchmaschinen, Spezialsuchmaschinen und sonstige Anwendungen auf Basis des Index entstehen. Von diesen werden sich dann die besten durchsetzen.
Als Suchender wird man mit dem Index nicht unmittelbar in Berührung kommen, sondern eben über die Anwendungen. Jeder Suchende kann sich damit die für ihn am besten geeigneten Dienste aussuchen.
Für Webseiteninhaber bedeutet der Index letztlich einen weiteren Crawler, der auf ihre Inhalte zugreift. Da das Ranking bei den auf dem Index aufbauenden Anwendungen stattfindet, wird Suchmaschinenoptimierung für den Index sehr enge Grenzen haben, d.h. sich nur auf die technische Erfassbarkeit der Inhalte beziehen können. Die Optimierung wird sich weitgehend auf die Optimierung für bestimmte Anwendungen (also Suchmaschinen, Spezialsuchmaschinen usw.) beziehen.

SEO Südwest: Würden sich Suche-Anbieter, die den Index nutzen, nicht für Google angreifbar machen? Stichworte unerlaubte Subventionen und Wettbewerbsverzerrung?

D. Lewandowski: Nein. Wenn Sie heute beispielsweise auf vom Staat finanzierte Kartendaten zurückgreifen oder die von der Allgemeinheit finanzierte Autobahnen für ihr Speditionsgeschäft nutzen, entsteht ja auch kein Problem.

SEO Südwest: Kann es nicht passieren, dass manche Nutzer mehr Einflussmöglichkeiten auf die Indexierung haben als andere?

D. Lewandowski: Hier besteht tatsächlich eine grundsätzliche Möglichkeit der Einflussnahme, da ja entschieden werden muss, wie Inhalte grundsätzlich erfasst werden und welche Basisdienste der Indexierung betrieben werden. Allerdings würde dem einerseits damit entgegengewirkt werden können, dass es ein Kuratorium aus Anwendern gibt, das der den Index betreibenden Institution Empfehlungen für Standards der Indexierung gibt. Auf der anderen Seite würde ein modularer Aufbau dafür sorgen, dass sich jeder, der mit den Basisdiensten nicht zufrieden ist, selbst eigene Indexierungsmethoden anwenden kann, die auf einer „Minimalindexierung“ aufbauen können. Alternativ könnten auch die Rohdaten verwendet werden; da gibt es allerdings noch einige ungelöste Fragen.

SEO Südwest: Ist es wirklich denkbar, eine vergleichbare Qualität der Suchergebnisse zu bieten, wie sie etwa Google liefern kann?

D. Lewandowski: Da muss man etwas weiter ausholen und fragen, was denn überhaupt Qualität ist. Man geht ja oft davon aus, dass es bei Suchergebnissen irgendwie eine richtige Reihung gibt und man immer klar unterscheiden kann, was der beste Treffer ist und dann alle folgenden Treffer immer ein Stückchen schlechter sind. Das trifft aber in vielen Fällen, vor allem bei tiefergehenden thematischen Suchen, nicht zu. Da gibt es oft eine Vielzahl von relevanten Treffern und die Bewertung, welcher nun „der beste“ – wenn es den überhaupt gibt – ist, ist mehr oder weniger Geschmackssache.
Wenn wir nun nicht nur im wesentlichen eine, sondern viele Suchmaschinen hätten, würden wir unterschiedliche Sichten auf die Inhalte des Web bekommen und nicht mehr nur diese eine von vielen möglichen Interpretationen, wie sie uns Google liefert. Das bedeutet nicht, dass diese Interpretation eine schlechte ist, sondern nur, dass sie eine von vielen (guten) Möglichkeiten ist. Im Moment haben wir halt die Situation, dass wir glauben, mit dieser einen Interpretation auskommen zu können.

SEO Südwest: Wie viele und welche Rankingfaktoren wird es geben?

D. Lewandowski: Das Ranking bleibt denjenigen überlassen, die auf der Basis des Index Anwendungen erstellen. Sie können die Rankingfaktoren frei bestimmen, wenn Sie eine Suchmaschine auf dem Index aufbauen.

SEO Südwest: Schon beim Indexbau müssen ja die Rankingverfahren berücksichtigt werden. Gibt es da Einflussmöglichkeiten?

D. Lewandowski: Ich sehe es so, dass beim Indexaufbau erst einmal nur berücksichtigt werden muss, welche Daten, die hinterher in das Ranking bei den einzelnen Anwendern einfließen können, berücksichtigt werden müssen. Wenn man also beispielsweise grundsätzlich der Meinung ist, dass man die Linkstruktur im Ranking berücksichtigen können sollte (ob die einzelne Anwendung das dann tut oder nicht), dann muss diese natürlich erfasst werden. Um zu bestimmen, welche Daten – neben wirklich grundlegenden Dingen wie Text oder eben der Linkstruktur – erfasst werden sollen, ist das Kuratorium, das ich ja schon genannt hatte, wichtig. Das sorgt dafür, dass nicht irgendwer „an der Spitze“ des Index sitzt und eigenmächtig Entscheidungen trifft, die sich am Ende vielleicht als unbrauchbar herausstellen.
Die Einflussmöglichkeiten, die sich aus der Kenntnis der erfassten Daten ergeben, schätze ich als relativ gering ein. Wir wissen ja auch grundsätzlich, welche Daten von den jetzigen Suchmaschinen, die ihren eigenen Index pflegen, erfasst werden. Die echten Einflussmöglichkeiten entstehen ja erst durch die Kenntnis des Rankings, und hier können die Anwender ihre Verfahren ja ebenso geheim halten wie es die Suchmaschinen auch heute schon tun.

SEO Südwest: Was passiert, wenn sich die Anforderungen an den Index ändern? Wie kann hier eine Abstimmung zwischen den Nutzern erfolgen?

D. Lewandowski: Auch diese Abstimmung würde wieder über das Kuratorium erfolgen.

SEO Südwest: Wie kann sichergestellt werden, dass ein öffentlicher Index nicht manipuliert wird?

D. Lewandowski: Die Erstellung des Index würde ganz ähnlich erfolgen wie heute schon bei den bekannten Suchmaschinen. Manipulationsversuche gibt es natürlich immer; auf der Ebene des Index geht es da vor allem darum, mit Spam in den Index zu kommen. Das ist also für jeden Index-Anbieter, ob staatlich oder privatwirtschaftlich finanziert, eine Herausforderung. Der Unterschied wäre allerdings, dass bei einem staatlich finanzierten Index auch entsprechende Anforderungen an die Transparenz zu stellen wären, so dass ein Ausschluss aus dem Index nicht willkürlich wäre, sondern nach klaren und veröffentlichten Kriterien erfolgen würde. Ich meine hier nicht, dass die genauen technischen Verfahren bzw. Berechnungen veröffentlicht werden müssten, sondern die Kriterien, die hinter diesen Verfahren stehen.

SEO Südwest: Welche Reaktion von Google erwarten sie?

D. Lewandowski: Eigentlich nur Begeisterung – der offene Web-Index würde doch dabei helfen, dem näherzukommen, was Google als sein Firmenmotto formuliert, nämlich „die Informationen der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen“.

SEO Südwest: Staatliche Beteiligung schürt die Angst vor möglicher Einflussnahme durch die Behörden. Ist diese Angst berechtigt?

D. Lewandowski: Diese Angst wird immer wieder zum Ausdruck gebracht, sobald etwas staatlich finanziert werden soll. Man muss aber unterscheiden zwischen öffentlicher Finanzierung und staatlicher Kontrolle. Der Index muss natürlich von einer unabhängigen Institution (die dann zu gründen wäre) betrieben werden; eine Kontrolle sollte einzig über eigens geschaffene Gremien (wie eben das bereits erwähnte Kuratorium) stattfinden.

SEO Südwest: Wie geht es weiter? Was sind die nächsten Schritte?

D. Lewandowski: In den nächsten Wochen werden wir, d.h. eine Gruppe von Menschen, die sich für die Idee des offenen Web-Index begeistern und in den letzten Monaten an der Ausgestaltung der Idee gearbeitet haben, ein Manifest veröffentlichen, in dem wir alle Akteure in der Europäischen Union dazu auffordern, in einer gemeinsamen Anstrengung die Voraussetzungen für eine unabhängige und vielfältige Informationsautonomie Europas durch eine europäische Informationsinfrastruktur auf der Basis eines offenen Web- Index zu schaffen.

SEO Südwest: Herr Prof. Dr. Lewandowski, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 


Von Christian Kunz+ Mehr Informationen hier


 

 


 

 

 

 

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