
Das Content-Dilemma: Content Marketing in Zeiten von Google und KI

Das Content Marketing befindet sich in einer Krise: Während die klassischen Regeln für Google noch immer greifen, sehen sich Publisher und Verlage mit einer völlig anders funktionierenden KI-Welt konfrontiert, in der andere Gesetze gelten.
TL;DR: das Wichtigste in Kürze
- Das Content Marketing befindet sich in einer Krise, da die klassischen Regeln der Google-Suche für Publisher mit einer anders funktionierenden KI-Welt kollidieren, in der andere Gesetze gelten.
- KI-Zusammenfassungen (AI Overviews) reduzieren den Traffic auf vielen Websites, weil Nutzer Informationen direkt erhalten und Klicks auf Links in den AI Overviews kaum noch nötig sind (nur in einem Prozent der Fälle).
- Das Fair-Use-Prinzip wird in der KI-Welt häufig verletzt, indem Inhalte verarbeitet und wiedergegeben werden, oftmals ohne Verlinkung oder Nennung der Quelle, selbst wenn diese Inhalte ursprünglich hinter Bezahlschranken lagen.
- Publisher sollten darauf setzen, Vertrauen aufzubauen (entsprechend Googles "Experience, Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness" – EEAT), um Nutzern einen Mehrwert über die reine Information hinaus zu bieten und ein Argument gegen KI-generierte Inhalte zu schaffen.
- Angesichts des sinkenden Suche-Traffics gewinnen für Publisher weitere Traffic-Kanäle wie direkte Zugriffe, soziale Medien und Referral-Links an Bedeutung, während die Rolle des Suche-Traffics abnehmen wird.
Die Probleme reiner Informationsanbieter
Bis vor kurzem war das Prinzip für Content Creators und Publisher klar: Veröffentliche Inhalte, an denen die Menschen interessiert sind, und werde dafür belohnt, indem Google Links auf diese Inhalte anzeigt und damit für Traffic sorgt.
Das hat sich jetzt geändert: Zwar sendet Google nach wie vor Traffic an Websites, aber insbesondere im Bereich “Informationen” ist das deutlich weniger als noch vor einigen Monaten. Der Grund: Viele Informationen erhalten die Nutzer inzwischen direkt in den KI-Zusammenfassungen (AI Overviews). Klicks auf externe Websites sind kaum noch nötig. So wundert es nicht, dass eine Studie jüngst gezeigt hat, dass nur in einem Prozent der Fälle auf einen Link in den AI Overviews geklickt wird.
Anbieter, die bisher mit Inhalten Geld verdient haben - sei es über Werbung oder über Abos - befinden sich jetzt in einem Dilemma, denn auf der einen Seite gibt es weiterhin auch die klassischen Suchergebnisse, für die bekannte Regeln und Rankingsignale gelten, während auf der anderen Seite die KI-Welt mit ChatGPT, AI Overviews, Perplexity und weiteren steht, in der vieles anders läuft.
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Jetzt unverbindlich anfragenDie klassische Suche: Sichtbarkeit und Unique Content werden belohnt
In der klassischen Suche werden einzigartige Inhalte mit Mehrwert, sogenannte Unique Content, belohnt. Google zeigt solche Inhalte zumindest oftmals auf den vorderen Plätzen der Suchergebnisse an und sorgt damit für Traffic. Dazu kommt ein weiterer Effekt: Hochwertige Inhalte werden verlinkt, vielleicht auch in anderen Inhalten verarbeitet und wiedergegeben und erhalten über diese Links zusätzlichen Traffic. Außerdem sorgen die Links dafür, dass die Inhalte noch bessere Rankings in Google erhalten.
Das funktioniert sogar für Inhalte hinter Bezahlschranken, denn Google zeigt auch diese prominent in den Suchergebnissen an, und auch solche Inhalte werden von anderen Seiten verlinkt.
KI-Welt: Sichtbarkeit wird bestraft
In der KI-Welt gelten andere Gesetze. Wer seine Inhalte sichtbar macht, der wird zur Zielscheibe von Trittbrettfahrern. Das sind zunächst einmal die KI-Bots und KI-Chats. Sie saugen alles auf, verarbeiten es in ihren Modellen und geben es dann in ihren Antworten wieder; häufig ohne Link und sogar ohne Nennung der Quelle. Wenn die KI Live-Suchergebnisse aus dem Web zieht, dann werden zwar Links angezeigt, aber selbst dann kommt es kaum zu Klicks - siehe dazu den beschriebenen Effekt bei den Google AI Overviews.
Fair-Use-Prinzip wird gebrochen
Das sogenannte Fair-Use-Prinzip besagt, dass geschützte Inhalte bzw. Teile davon für bestimmte Zwecke verwendet werden dürfen. Beispiele sind Kommentare oder auch die Nachrichtenberichterstattung. Dieses Prinzip stellt eine der Grundlagen des bisherigen WWW dar. Auf einer Website wird über ein Thema berichtet, andere Websites greifen das Thema auf und verlinken oder nennen die Quelle dafür zumindest. Davon wiederum profitiert die Quelle.
In der KI wird dieses Prinzip immer wieder verletzt. Die Inhalte werden zwar verwendet, aber sie werden verarbeitet und oftmals nicht verlinkt oder erwähnt.
Dieses Problem besteht selbst bei Unique Content, der hinter einer Bezahlschranke verborgen ist. Wie kommen KI-Bots an diese Inhalte? Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie umgehen die Bezahlschranken selbst mit technischen Hilfsmitteln, oder sie greifen auf Sekundärquellen zurück, die ihrerseits über den Original-Content berichten. Das passiert täglich in großem Umfang: Wenn eine Quelle einen Originalbericht hinter einer Bezahlschranke veröffentlicht, dann gibt es viele Nachahmer, die für den Inhalt bezahlen und dann selbst darüber schreiben, wobei deren Inhalte frei verfügbar sind - auch für die KI-Bots. Die Folge: Unique Content ist nach kurzer Zeit nicht mehr einzigartig.
Die folgende Tabelle zeigt die für Publisher wichtigsten Unterschiede zwischen klassischer Suche und KI:
Kriterium | Klassische Suche | KI / KI-Suche |
Bedeutung von Links | Positiv, sorgen für bessere Rankings | Ambivalent. Können zwar die Autorität der Website erhöhen, sind aber auch Basis zum Kopieren der Inhalte durch KI. |
Unique Content | Sorgt für Links und mehr Sichtbarkeit | Mehrwert begrenzt, weil die KI die Inhalte selbst verwendet oder Sekundärquellen nutzt |
Bezahlschranke | Kann zur Monetisierung beitragen | Beitrag zur Monetisierung begrenzt, weil sie umgangen werden kann (technisch oder durch Sekundärquellen) |
Wie lassen sich beide Welten gleichzeitig bedienen?
Das Content-Dilemma liegt damit klar auf der Hand: Während Publisher für die Suche nach Sichtbarkeit streben und Links aufbauen müssen, schadet ihnen dies im Bereich der KI, weil dadurch die KI auf den Plan gerufen wird.
Zwar lässt sich die KI mithilfe von Tools wie Cloudflare ausschließen oder mit “Pay per Crawl” zur Kasse bitten, doch schützt das nicht davor, dass Nachahmer über die Inhalte schreiben und diese Inhalte dann von der KI verwendet werden.
Das Erstellen von Unique Content wird mehr und mehr vom direkten zum indirekten Traffic-Lieferanten: In der KI-Suche schaffen Erwähnungen ein gewisses Markenbewusstsein und erzeugen Interesse. Das kann dann dazu führen, dass sich zumindest einige Nutzer direkt auf die Website des Urhebers begeben, ihm in den sozialen Medien zu folgen oder vielleicht sogar ein Bezahl-Abo abzuschließen.
Zu überlegen ist außerdem: Welchen Mehrwert außer der Information an sich kann eine Website bzw. kann ein Publisher bieten, so dass es sich für die Nutzer weiterhin lohnt, ihre Informationen von ihm zu beziehen?
Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist Vertrauen. Informationen, die man von einer KI erhält, können Fehler enthalten. Man weiß oftmals nicht, woher die Informationen stammen und wie sie zustande gekommen sind.
Eine Website, die Inhalte von vertrauenswürdigen und fachlich erfahrenen Autoren veröffentlicht, ist dagegen deutlich vertrauenswürdiger. Es ist transparent, wer schreibt, welche Hintergründe die Personen haben und was ihre fachliche Expertise auszeichnet. Das ist genau das, was Google mit “EEAT” bezeichnet, also “Experience, Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness”.
Publisher, vor allem solche, die noch nicht so bekannt sind wie die großen Anbieter, sollten diese Kriterien in den Vordergrund stellen und damit ein wichtiges Argument dafür schaffen, die Inhalte von ihnen zu beziehen anstatt über die KI. Nebenbei kann EEAT zusätzlich dazu beitragen, die Inhalte in der klassischen Suche und auch in der KI prominenter darzustellen und mehr Erwähnungen zu erhalten.
Die Chancen, die im Bereich Vertrauen liegen, zeigen unterschiedliche Studien. Während nach einer internationalen Studie der Universität von Queensland (Australien) aus dem Jahr 2023 61 Prozent der Menschen der KI zumindest ambivalent gegenüberstanden oder ihr misstrauten, zeigt eine weltweite Studie von KPMG, dass nur 46 Prozent der Menschen der KI vertrauen. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI dürfte sich dieses Verhältnis allerdings zugunsten der KI verändern.
Weitere Traffic-Kanäle werden an Bedeutung gewinnen
Glücklicherweise gibt es für News-Publikationen und andere informationsorientierte Inhalte nicht nur die Suche bzw. die KI als Traffic-Quelle. Insbesondere die großen und bekannten Websites erhalten zusätzlichen Traffic über Links (Referral), über soziale Medien und über direkte Zugriffe (Type-In- bzw. Direct Traffic). Die Rolle des Suche-Traffics wird dagegen abnehmen.
Wichtig für Publisher ist außerdem Google Discover: Der Google Feed ist für viele informationsorientierte Websites noch immer die stärkste Traffic-Quelle und übertrifft damit sogar die organische Suche. Doch auch hier droht Gefahr: Google zeigt jetzt auch für Discover KI-Zusammenfassungen an, was den Traffic aus Discover reduzieren dürfte.
Was bleibt?
Ob sich das Erstellen von rein informationsorientierten Online-Inhalten für Publisher und Website Creators noch lohnt, hängt in erster Linie von der Verteilung ihrer Traffic-Quellen und von der weiteren Entwicklung des Suche-Traffic ab. Die Verwendung bzw. den Missbrauch ihrer Inhalte werden die Urheber kaum verhindern können. Hier helfen weder Bezahlschranken noch technische Sperren für KI-Bots, denn dann nutzen die KI-Bots einfach Sekundärquellen.
Eine Neuformulierung des Urheberrechts könnte eine Lösung sein, doch hier dürfte es schwierig werden, Regulierungen zu finden, die einerseits genügend Spielraum für die Weiterentwicklung der Technik lassen, und andererseits auch den Schutz von Originalwerken zu gewährleisten. Zudem dürfte die Beweisführung in vielen Fällen schwierig sein, dass Inhalte unrechtmäßigerweise von der KI genutzt wurden.
Publisher sollten versuchen, zusätzlich zur reinen Information, deren Wert aufgrund möglicher Nachahmer immer geringer wird, einen Mehrwert zu schaffen, der zum Beispiel im Aufbau von Vertrauen bestehen kann.
Übrigens: Über dieses Thema habe ich in einer aktuellen Ausgabe von “KI und Tech to Go” mit Yusuf Sar gesprochen. Er hat dazu auch einige interessante Ansichten geäußert. Reinhören lohnt sich also.
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