Immer schneller dreht sich das Rad der Neuentwicklungen rund um die Suchmaschinen. Im Jahr 2015 dominierten Themen wie die Mobilfreundlichkeit von Webseiten oder die sichere Übertragung per HTTPS die SEO-Szene. Trotz der großen Dynamik kristallisiert sich deutlich heraus, was im Jahr 2016 bei den Suchmaschinen und SEOs im Vordergrund stehen wird. Vieles wird sich ändern - und dennoch einiges bleiben, wie es ist.
Um es in einem Satz auszudrücken: 2016 wird das Jahr des maschinellen Lernens (man denke zum Beispiel an Googles RankBrain-Algortithmus), der App-Indexierung, des Accelerated Mobile Frameworks (AMP) sowie des neuen HTTP/2-Protokolls. Und - noch viel wichtiger - es wird das Jahr der Nutzer. SEOs und Webseitenbetreiber, die sich dessen bewusst sind, können von den Entwicklungen profitieren. Und damit zu den einzelnen Themen.
Maschinelles Lernen und dynamische Rankingfaktoren
Besonders in den letzten Wochen gab es sehr viele Neuigkeiten rund um das maschinelle Lernen. Dabei ist die Idee selbst nicht neu, denn schon seit vielen Jahren experimentieren die Unternehmen mit Algorithmen, die durch automatisches Lernen immer bessere Ergebnisse liefern sollen. Neu ist allerdings der Einsatz dieser Technik für die Berechnung von Suchergebnissen. Wir erleben die Abkehr von statischen und manuell bestimmten Rankingfaktoren hin zu einer immer dynamischeren Bewertung von Suchergebnissen.
Google hat in diesem Jahr seinen Algorithmus mit dem Namen RankBrain vorgestellt. Dieser Algorithmus dient dazu, bisher unbekannte Suchanfragen (das sind immerhin 15 Prozent der Suchanfragen pro Tag) zu erkennen und zu interpretieren. RankBrain soll inzwischen auf Platz drei der Google-Rankingfaktoren stehen.
Interessant ist der Einfluss maschinellen Lernens auf die Rankingfaktoren und auf die Bewertung von Webseiten: Die ständige Rückkopplung und Neubewertung der Webseiten führt zu einem Modell, in dem die Auswahl und die Bedeutung der Rankingfaktoren sich jederzeit ändern können. Dabei spielen vor allem die Nutzersignale eine Rolle: Webseiten, die häufiger und länger besucht werden, können als Vorbild für die Bewertung anderer Webseiten dienen. An diesen Vorbildern orientiert sich die Auswahl und die Bewertung der Rankingfaktoren.
Davon profitieren vor allem die Nutzer, denn sie entscheiden stärker als früher mit, welche Webseiten auf den oberen Pätzen der Suchergebnisse erscheinen.
Die Bedeutung maschinellen Lernens für Google zeigt sich auch daran, dass das Unternehmen seine Software-Bibliothek mit dem Namen TensorFlow als Open Source-Projekt zur Verfügung gestellt hat.
Wer sich einen Überblick über das maschinelle Lernen verschaffen möchte, dem sei der Artikel von Olaf Kopp mit dem Titel "Was ist Machine Learning" empfohlen. Weitere Informationen zum Thema sind hier zu finden.
Auf der Suche nach den Apps
Google hat erkannt, dass sich ein großer Teil der Online-Zukunft innerhalb von Apps abspielen wird. Der Grund: Immer mehr Menschen sind mobil im Netz unterwegs, und auf mobilen Geräten dominieren die Apps. Googles Problem: Wer Apps nutzt, verwendet seltener eine Suchmaschine. Deshalb ist es für das Unternehmen wichtig, eine Brücke zwischen den Apps und der Suche zu bauen. Das funktioniert am besten, indem man die Inhalte der Apps indexiert und durchsuchbar macht. Das betrifft nicht nur die Suchmaschinen selbst, sondern auch diejenigen, die von ihnen abhängig sind: die SEOs.
Google bietet inzwischen die Möglichkeit zur Indexierung von iOS- und von Android-Apps. Das bringt für diejenigen, die neben einer Webseite auch Inhalte per App anbieten, einen zusätzlichen Kanal, in den Suchergebnissen präsent zu sein.
Google bietet inzwischen sogar das Ausführen von Apps auf seinen eigenen Servern an. Per App-Streaming kann man Apps nutzen, ohne sie zuvor auf dem genutzten Gerät installiert zu haben.
Doch nicht nur Google buhlt um die Gunst der App-Anbieter: Auch Bing oder Apple indexieren inzwischen App-Inhalte im großen Stil und machen damit Google Konkurrenz.
Gut möglich, dass schon in naher Zukunft nur noch diejenigen erfolgreich im Wettbewerb um Besucher und Kunden stehen werden, die auch über eine indexierbare und gut rankende App verfügen.
Hallo Siri, ok Google!
Ein weiterer Trend sorgt für ein geändertes Nutzer- und Sucheverhalten im Netz: digitale Assistenten. Die nützlichen Helfer wie Siri, Google Now, Cortana oder Amazons Alexa werden immer beliebter. Sie unterstützen nicht nur bei der Suche, sondern sie übernehmen auch komplette Transaktionen wie das Buchen von Flügen und Hotels.
Für die Suche hat das vor allem die Konsequenz, dass der klassische Anwendungsfall der Eingabe eines Suchbegriffs in eine Textbox immer mehr zur Ausnahme wird. Stattdessen kann man per sprachgesteuerter Suche bequem auch komplexe Abfragen bis hin zu vollständigen Sätzen durchführen. Das wiederum wirkt sich auf die SEO-Maßnahmen aus: Die Optimierung auf einzelne Ziel-Keywords wird in den Hintergrund treten und der Optimierung auf längere Suchphrasen und ganze Sätze (vor allem Fragesätze) weichen. Fragesätze als Suchphrase haben darüber hinaus eine weitere wichtige Eigenschaft: Sie können das Ausspielen von Rich Snippets in den Suchergebnissen auslösen, also von Snippets mit zusätzlichen Inhalten wie Bildern, erweitertem Text etc., die entsprechend auffälliger sind und damit bessere Chancen auf Klicks bieten.
Die zweite wichtige Konsequenz im Umgang mit digitalen Assistenten ist, dass Google nicht mehr der einzige wichtige Lieferant von Suchergebnissen bleibt. Bei einer Suche beziehen Siri, Cortana und Co. Daten aus unterschiedlichen Quellen. So liefert Cortana zum Beispiel Suchergebnisse der Microsoft-eigenen Suchmaschine Bing, Apple verwendet für die Spotlight Search auch Daten aus nutzerspezifischen Indizes und sucht beispielsweise in den Apps oder den Mails der Nutzer. Das zeigt: Die Bandbreite der Informationsquellen für die Suche wird breiter, was auch für SEOs eine wichtige Rolle spielt. Die Optimierung für Google wird nicht mehr ausreichen, und es wird darauf zu achten sein, auch in anderen Kanälen und Suchmaschinen zu erscheinen.
Nachrichten-Aggregatoren als Traffic-Quelle
Wenn man heute im Netz nach Nachrichten sucht, hat man die Wahl zwischen einer großen Zahl verschiedener sogenannter Nachrichten-Aggregatoren. Während noch vor kurzer Zeit Google News mit Abstand der wichtigste Nachrichten-Aggregator gewesen ist, haben die Konkurrenten inzwischen nachgezogen: Facebook mit seinem Dienst "Instant Articles" und Twitter mit "Moments". Diese Dienste sind darauf ausgelegt, Nachrichten von Drittseiten einzusammeln und auf der eigenen Seite darzustellen - oftmals ohne unmittelbaren Link auf die Quelle, wie es derzeit zum Beispiel bei Twitter Moments der Fall ist.
Dazu kommen weitere, spezialisierte Nachrichten-Aggregatoren. Ein gutes Beispiel dafür sind die News-Seiten bei Xing. Ausgewählte Publisher haben die Möglichkeit, branchenspezifische Nachrichten bei Xing zu veröffentlichen und sie auf diese Weise dem Fachpublikum zur Verfügung zu stellen.
Durch die stark gewachsene Zahl der Publikationsmöglichkeiten steigt gleichzeitig der Druck auf die Webseitenbetreiber und SEOs, die verfügbaren Medien zu nutzen und in ihr Portfolio einzubeziehen, denn das Ziel ist und bleibt eine möglichst große Sichtbarkeit.
Accelerated Mobile Framework (AMP)
Es ist das heißeste Thema der letzten Wochen, zumindest unter den SEOs: Googles Framework für schnellere mobile Webseiten mit dem Kürzel AMP. Kurz gesagt, besteht AMP aus einem reduzierten HTML und JavaScript. Dadurch wird erreicht, dass Webseiten schneller geladen werden können - auch dort, wo es nur eine schlechte Anbindung an das Internet gibt.
Da die Ladegeschwindigkeit von Webseiten bekanntlich ein wichtiger Rankingfaktor ist, dürften mit AMP erstellte Webseiten in den Suchergebnissen besser platziert werden als vergleichbare Seiten, die das Framework nicht nutzen. Eine direkte Bevorzugung von AMP wollte Google jedoch noch nicht bestätigen.
Google wird AMP-Seiten bereits ab Februar 2016 unterstützen. Andere Dienste wie Twitter werden folgen. Wer seine Webseite AMP-tauglich machen möchte, kann auf die Hilfe der großen Content Management Systeme setzen. So sind zum Beispiel Lösungen für WordPress oder Joomla in Arbeit.
Skeptiker kritisieren, dass AMP vor allem von Google vorangetrieben wurde, auch wenn es inzwischen eine große Entwicklergemeinde von mehreren Tausend Personen gibt. Laut Google kann somit jeder zur Entwicklung beitragen. Den offiziellen Weg zu einem verabschiedeten Standard möchte Google allerdings nicht gehen - der dazu notwendige Prozess beim World Wide Web Consortium (W3C) würde nach Worten von Google News-Chef Richard Gingras zu lange dauern.
Auch für Werbeplattformen können sich Einschränkungen ergeben, denn AMP unterstützt kein JavaScript von Drittanbietern. Die Ad-Netzwerke sind also auf eine Zusammenarbeit mit Google angewiesen, und so mancher befürchtet, Google könne sein eigenes AdSense-Netzwerk bevorzugen.
HTTP/2 - Geschwindigkeit und mehr
Das neue HTTP/2-Protokoll löst das seit 1997 bestehende HTTP/1.1-Protokoll ab. Es basiert zu großen Teilen auf dem von Google entwickelten SPDY-Protokoll. HTTP/2 bietet gegenüber seinem Vorgänger mehrere Vorteile, unter anderem bessere Ladezeiten durch die Komprimierung der Header und das gleichzeitige Übertragen mehrerer Datenpakete. Was bei AMP schon erwähnt wurde, gilt auch hier: Bessere Ladezeiten können zu besseren Rankings bei Google führen.
Eine Einschränkung darf nicht vergessen werden: Viele Browser wie Chrome und Firefox unterstützen HTTP/2 nur bei gleichzeitiger verschlüsselter Übertragung per TLS. Wer also seine Webseite auf HTTP/2 umstellen möchte, sollte gleich auch den Wechsel auf HTTPS durchführen, um auf der sicheren Seite zu sein.
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2016: das Jahr der Nutzer
Sieht man sich die Suchmaschinen-Trends für das Jahr 2016 an und überlegt, welche Verbesserungsmaßnahmen von den Webseitenbetreibern und SEOs getroffen werden müssen, um diesen Trends folgen zu können, so wird deutlich: Die optimale Webseite im kommenden Jahr ist schnell, auch mobil (durch die Nutzung von AMP und HTTP/2), sie ist sicher, weil sie gleichzeitig auf HTTPS umgestellt wurde, sie stellt die Nutzer zufrieden, weil die Optimierung auf Basis der Nutzersignale erfolgt, und sie ist auch als App verfügbar, was die Nutzung auf Smartphones und Tables noch angenehmer macht. Außerdem ist die Webseite 2016 über viele Kanäle zu erreichen. Zu den erweiterten Kanälen zählen Nachrichten-Aggregatoren und digitale Assistenten.
Für die Nutzer können die Veränderungen also nur von Vorteil sein. Für die SEOs ergeben sich daraus interessante Tätigkeitsfelder, die jedoch im Anspruch über die "normalen" SEO-Tätigkeiten hinausgehen. Insbesondere App-SEO und die Umstellungen für AMP und HTTP/2 erfordern technische Expertise, die nicht jeder SEO bieten kann.
Letztendlich gilt aber auch im kommenden Jahr, was schon heute klar ist: Nur solche Webseiten, die den Besuchern gefallen, werden langfristig Erfolg haben. Dieser Erfolg kann anhand der genannten Nutzersignale und auch durch die Backlinks gemessen werden, die eine Webseite erhält. Und das bedeutet: Backlinks werden weiterhin ein wichtiger Rankingfaktor sein.
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